Freie Wähler stimmen Kreishaushalt zu – aber nur mit niedrigerer Kreisumlage

Bei der Verabschiedung des Kreishaushalts 2011 stand wieder einmal die Kreisumlage im Mittelpunkt. Die Freien Wähler setzten zusammen mit der CDU und der FDP eine Erhöhung um nur 3,5 Punkte durch. Ein gemeinsamer Antrag der SPD und OGL für 4 Punkte, für den auch Landrat Wolf große Sympathie zeigte, fand somit keine Mehrheit. Fraktionssprecher Stafen Bär begründete die Position der Freien Wähler damit, dass man auch die Kreisgemeinden am überraschend guten Ergebnis 2010 beteiligen sollte, zumal sich viele nach wie vor in einer schwierigen finanziellen Situation befinden würden. Gleichzeitig mahnte er für die Zukunft eine Zurückhaltung bei großen Investitionsvorhaben an.

Die vollständige Haushaltsrede finden Sie hier …

Sehr geehrter Herr Landrat,
sehr geehrte Damen und Herren,

Wohl noch nie stand anfänglich die Vorberatung eines Kreishaushaltes unter so schlechten Vorzeichen wie dieses Jahr. Die Prognosen sahen düster aus. Wir möchten zunächst ein Lob an die Verwaltung dafür aussprechen, wie mit dieser Situation umgegangen wurde. Ohne Aktionismus wurde in gemeinsamen Arbeitssitzungen mit den Fraktionen der Haushalt in der gesamten Breite durchforstet und gemeinsame Einsparziele formuliert, denen wir auch in den Beratungen der Ausschüsse und des Kreistages zumindest weitgehend treu geblieben sind. Wir haben damit gezeigt, dass trotz der eingeschränkten Spielräume im Kreishaushalt Einsparungen möglich sind, vorausgesetzt der politische Wille dafür ist da. 

Der Haushalt 2011 wurde so intensiv vorberaten wie wenige zuvor. Er ist im Ergebnis ein Sparhaushalt, aber einer, der aus unserer Sicht den Stempel der Ausgewogenheit trägt. Er schafft den Spagat zwischen notwendigen Einsparungen, der Erfüllung unserer gesetzlichen Aufgaben aber auch der Weiterentwicklung unserer Infrastruktur und trotz aller finanziellen Engpässen durchaus auch neue soziale Initiativen. Nur drei Beispiele:

Mit der Sanierung und Erweiterung der Sprachheilschule in Balgheim setzen wir unsere Investitionen in die Bildungslandschaft des Landkreises fort. Der Neubau des Bettenhauses am Klinikum Tuttlingen ist nicht nur eine der größten Investitionen des Landkreises sondern vor allem ein Signal für die Zukunftsfähigkeit unseres Klinikums, wie es in einer Zeit der sich verändernden Kliniklandschaften in der Region stärker nicht sein könnte. Andere müssen Häuser schließen und ihre Kliniken verkaufen. Wir verbessern unser Angebot. Dazu gehört für uns auch die Beteiligung der Klinik am geplanten Ärztehaus, die wir so schnell als möglich zum Abschluss bringen sollten. Und mit der Unterstützung des regionalen Hospizes in Spaichingen schaffen wir eine soziale Einrichtung, die eine bisher zu kurz gekommene gesellschaftliche Aufgabe zu lösen versucht. Eine freiwillige Aufgabe, der wir uns trotz dieser finanziell schwierigen Zeiten ohne Diskussionen gestellt haben. Auch das ist ein Signal. Alles in allem ist der Haushalt 2011 deshalb ein gelungener Haushalt.

In den letzten Wochen hat sich nun eine positive Veränderung vor allem aus dem Jahresabschluss 2010 ergeben, der um ~ 4,6 Mio € besser abschließt als erwartet. Wir bedanken uns bei Ihnen, H. Landrat Wolf ausdrücklich dafür, dass Sie uns rechtzeitig über diese Verbesserung informiert haben, auch wenn damit neue Diskussionen darüber verbunden sind, wie diese zusätzlichen Gelder verwendet werden sollen und welche Auswirkungen sie auf Haushaltspositionen wie die Kreisumlage oder die Sparbeschlüsse im Sozialbereich haben, die eigentlich als weitgehend abgehakt galten. Das war in früheren Jahren nicht selbstverständlich.

Über die Verteilung dieser Gelder gibt es unterschiedliche Meinungen, das war zu erwarten und folgt den Standpunkten der Vorjahre. Bei allem Streit um den richtigen Weg sollten wir aber zunächst nicht vergessen, dass diese Entwicklung mehr als erfreulich und natürlich eine deutliche Verbesserung des Haushalts 2011 ist. Das geht sonst vielleicht unter.

Wie immer im Leben kann Geld nur einmal ausgegeben werden. Für uns als Freie Wähler stellt sich dabei vorrangig die Frage, wie viel wir für die Schuldentilgung und für die Reduzierung der ursprünglich geplanten Kreisumlagenerhöhung verwenden sollen. Wir haben Verständnis für Ihre Haltung H. Landrat, dass Sie einen möglichst großen Schwerpunkt auf den Abbau der Verschuldung des Landkreises legen wollen. Da gibt es sicher gute Gründe dafür. Wir sprechen uns dennoch dafür aus, auch die Kreisgemeinden durch eine entsprechend niedrigere Kreisumlage stärker als geplant an diesem guten Ergebnis zu beteiligen. Auch dafür gibt es gute Gründe:

Zum einen sind viele Kreisgemeinden nach wie vor in einer finanziell schwierigen Lage, ohne auf solche Abschlüsse für 2010 zurückgreifen zu können. Da ist jeder Prozentpunkt weniger eine willkommene Entlastung, die nicht nur den Bürgermeistern – wie von mancher Fraktion immer wieder gerne dargestellt – sondern vor allem den Einwohner in den Gemeinden zugute kommt, sei es bei der Unterhaltung von Strassen und Einrichtungen, aber auch im sozialen Bereich oder in Form geringerer Steuern oder Gebühren.

Unser Hauptargument ist aber ein anderes: die Ursachen für den verbesserten Abschluss liegen zwar wie geschildert in einem besseren Finanzausgleich und anderen Veränderungen. Für das Gesamtergebnis des Haushaltes 2010 ist aber das damalige Kreisumlageaufkommen auch eine entscheidende Größe. Mit anderen Worten: das positive Ergebnis ist auch auf die Umlage der Gemeinden zurück zu führen. Es ist deshalb auch in Ordnung, wenn zumindest ein Teil davon auch wieder an sie zurück fließt.

Wir wollen nicht soweit gehen und den vollen Überschuss für eine Entlastung der Kreisumlage zu verwenden, das würde auch aus unserer Sicht zu weit gehen. Auch wir haben in den letzten Jahren die Notwendigkeit des Schuldenabbaues betont und wollen dem nun auch gerecht werden. Wir sprechen uns deshalb dafür aus, die Kreisumlage nur um 3,5 Prozentpunkte zu erhöhen. Damit würde dem Kreis deutlich mehr als die Hälfte der Mehreinnahmen für eine außerordentliche Tilgung der Schulden bleiben. Das ist aus unserer Sicht ein Kompromiss, der den Interessen beider Seiten gerecht wird.

Im übrigen möchten wir darauf hinweisen, dass ein deutlicher Abbau der Verschuldung nicht allein durch eine Steigerung der Einnahmen zu erreichen sein wird. Viel wichtiger ist die Zurückhaltung bei den Ausgaben, konkret bei neuen Investitionen. Das ist die entscheidende Größe. Der Kreis hat in den letzten Jahren enorm investiert. Wir können uns in den nächsten Jahren eine gewisse Zurückhaltung auferlegen, ohne damit gleich unsere Aufgaben zu vernachlässigen. Natürlich wird jede Verwaltung und jeder Kommunalpolitiker immer Gründe finden, wieso gerade dieses Projekt zu dieser Zeit unverzichtbar ist. Aber hier sollten wir ansetzen und uns alle hinterfragen, ob dies wirklich so ist oder ob nicht eher wie auch im privaten Bereich der Geldbeutel die Anschaffung bestimmt statt umgekehrt die Ausgabe zu tätigen und nur zu fragen wie sie finanziert wird. Um ein konkretes Beispiel aus dem Kreishaushalt zu nehmen:

Wir investieren wie bereits erwähnt in diesem und im nächsten Jahr ca. 14,5 Mio in ein neues Bettenhaus. Zusätzlich sieht das mittelfristige Investitionsprogramm bis 2014, also in den nächsten 4 Jahren für die Kliniken weitere 17 Mio Investitionen vor. Natürlich stehen dem auch erwartete Zuschüsse gegenüber und natürlich ist es auch richtig, über das Jahr hinaus zu planen. Aber sind diese Investitionen, über die bisher im Ausschuss im Detail nicht beraten wurde, wirklich alle in diesem Zeitraum notwendig? Kann da nicht auch etwas geschoben werden?
Um nicht missverstanden zu werden: wir sind die letzten, die nicht sicherstellen wollen, dass unser Klinikum gut aufgestellt ist. Aber dennoch werden wir Prioritäten bilden müssen und zu diesem Abwägungsprozess gehören nicht nur andere investive Vorhaben sondern eben auch die Frage, wie viel Luft der Schuldenstand für neue Vorhaben lässt.

Nun zu den während der Vorberatungen getroffenen Sparbeschlüssen im Sozialbereich und dem vorliegenden Antrag der SPD und OGL, diese komplett rückgängig zu machen. Wir sprechen uns gegen diese Forderung aus. Natürlich tun diese Einschnitte weh. Es fällt den Betroffenen auch schwer, diese Kürzungen nachvollziehen, wenn auf einmal Überschüsse in Millionenhöhe auftauchen. Aber das Ergebnis 2010 ist eine Momentaufnahme, die noch  nichts darüber aussagt, ob dies eine nachhaltige Verbesserung ist. Eine wesentliche Verbesserung kommt aus dem FAG, da wissen wir, dass sich dies bei einem Anziehen der Konjunktur auch schnell wieder umdrehen wird. Insofern bleibt eine Unsicherheit. Die eigentliche Wirtschaftskrise scheint zumindest was die Beschäftigungslage in unserem Landkreis betrifft überwunden. Niemand kann heute aber sagen, wie es mit der Finanzkrise und der Überschuldung gerade der öffentlichen Haushalte weiter geht, gerade wenn  man die Diskussionen auf europäischer Ebene verfolgt. Wenn hier noch etwas kommen sollte wäre es blauäugig zu meinen, dass der kommunale Bereich davon verschont bleiben wird.

Erfreulich ist sicher, das mit der bei der Einigung über die Hartz IV Regelsätze beschlossenen Übernahme der Kosten für die Grundsicherung ab 2012 durch den Bund eine gewisse Kostenentlastung des Kreises eintreten wird. Das ist ausdrücklich zu begrüßen. Aber auch hier wissen wir noch nicht, in welchem Umfang sich dies konkret für uns auswirken wird und welche Belastungen evtl. noch durch die notwendige Gegenfinanzierung an anderer Stelle – uns sei es nur über Umwege – eintreten können.

Deshalb halten wir den Zeitpunkt für eine Rücknahme für verfrüht.
Die bisherigen Beschlüsse bauen auf einem Aussetzen für zwei Jahre, also 2011 und 2012 auf. Wir sollten uns zumindest die Zeit nehmen und den Verlauf das Jahres 2011 abwarten. Sollte dies ähnlich positiv abschneiden könnte man sich bei den Beratungen des Haushalts 2012 immer noch darüber unterhalten, ob die Kürzungen evtl. ein Jahr früher als geplant rückgängig gemacht werden. Heute ist uns das zu früh. 

Zum Schluss bedanken wir uns bei Herrn Kreiskämmerer Bernhard und Herrn Klinikdezernent Fricker mit ihren Mitarbeiten für die viele Arbeit im Vorfeld und die gut vorbereiteten Vorberatungen in den Ausschüssen.

Die Fraktion der Freien Wähler stimmt dem Kreishaushalt 2011 zu, bittet aber darum, im Anschluss an die Haushaltsreden zunächst die Erhöhung des Kreisumlagehebesatzes separat zur Abstimmung zu stellen.