Der Landkreis Tuttlingen – Provinz ja, provinziell nein

Es ist nicht abzustreiten, dass der Kreis Tuttlingen dünn besiedelt ist und auch große Städte mit umgebenden Ballungsbereichen fehlen. Daran eventuell ein provinzielles Image festzumachen, ist nicht richtig. Diesbezüglich haben weder die Politik noch andere die Möglichkeit, entscheidende Änderungen herbeizuführen. Bleibt also eigentlich nur die zugegebenermaßen immer wieder einmal aus dem eigenen Bereich zu hörende Klage über die Provinzionalität im Landkreis Tuttlingen übrig, zu Unrecht, weil oft unbedacht, wie zu belegen ist.

An erster Stelle sind hier im Landkreis Tuttlingen die in den Städten und Gemeinden ansässigen starken Gewerbebetriebe im produzierenden Bereich zu nennen. Diese zeichnet eine sehr hohe Innovationsbereitschaft, gepaart mit unterschiedlichsten Produktionspaletten mit überwiegend höchsten Qualitätsstandards aus. Im Gegensatz zum Landesdurchschnitt mit rund 40 % sind im Landkreis Tuttlingen ca. 2/3 aller Berufstätigen im produzierenden Gewerbe beschäftigt. Das wiederum hat äußerst positive Auswirkungen auf die 35 Städte und Gemeinden im Landkreis Tuttlingen. So liegt die Steuerkraftmesszahl je Einwohner im Landkreis Tuttlingen ca. 10 % über der des Landesdurchschnitts. Ein ähnliches Bild ergibt sich beim Anteil der Einfamilienhäuser an Wohngebäuden, der im Landkreis Tuttlingen rund 15 % über dem Landesdurchschnitt liegt. Dies zeigt, dass über die starken gewerblichen Unternehmungen auch ein gewisser privater Wohlstand geschaffen werden konnte.

Aber auch die Kommunen selbst und der Landkreis haben davon stark profitiert und können heute öffentliche Einrichtungen anbieten, die keinen Vergleich, auch den mit den Ballungsräumen, zu scheuen brauchen. Allein das in der Trägerschaft des Landkreises entwickelte gymnasiale – und berufsorientierte Schulangebot lässt kaum Wünsche offen und ist für den relativ kleinen Landkreis Tuttlingen mehr als nur bemerkenswert. Ergänzt wird dies durch die seit langem in Trossingen bestehende Hochschule für Musik und den zurzeit in Tuttlingen entstehenden Hochschulcampus. Das Freilichtmuseum in Neuhausen ob Eck hat sich zu einem kulturellen Mittelpunkt entwickelt und erfreut sich nach wie vor ungebrochener Beliebtheit. Mit dem neugeschaffenen Qualitätswanderweg in Regie der Tourismus GmbH wurden die Bemühungen im Wander- und Tourismusbereich effektiv verstärkt. Das zwischenzeitlich längst etablierte „Ringzugsystem“ bietet sehr gute Alternativen zum täglichen Individualverkehr.

Das alles sind Pfunde, mit denen der Landkreis Tuttlingen wuchern kann. Pfunde, die durch zahlreiche kommunale Einrichtungen ergänzt zum Teil weit über den Landkreis hinaus wirken und längst einen Ausgleich zu den Ballungsbereichen bedeuten. Weder die Kommunen noch der Landkreis selbst brauchen sich deshalb irgendwie verstecken. Es war richtig, die jeweiligen Stärken zu pflegen und auszubauen, um daraus die Kraft zu schöpfen, die die heutige Infrastruktur in ihrer großen Bandbreite garantiert. An die Politik gerichtet muss die Forderung lauten, weiterhin eigene Entwicklungen zuzulassen und dafür den Kommunen und dem Landkreis gegebenenfalls auch eigene Wege zuzugestehen. Dies bezieht sich auch darauf, für die Weiterentwicklung des Gewerbes im Landkreis Tuttlingen günstige Rahmenbedingungen zu schaffen. Das Fazit der Freien Wähler zum Landkreis Tuttlingen lautet: Provinz ja, provinziell nein!

 

Reinhard Lindner