Haushaltsrede der Freien Wähler zum Kreishaushalt 2010

In der Kreistagssitzung am 19.02. wurde der Kreishaushalt verabschiedet. In der Stellungnahme ging Fraktionsvorsitzender Stefan Bär vor allem auf die düsteren Prognosen für das Jahr 2011 ein, hob aber auch hervor, dass es in den Vorberatungen immerhin aber auch gelungen sei, durch Einsparungen oder Streichungen Verbesserungen von ca. 740.000 € zu erzielen. Die Kreditaufnahme konne damit um 15 % reduziert werden. Über weitere Sparmaßnahmen werden  man in den nächsten Sitzungen der Fachausschüsse beraten.

Die vollständige Haushaltsrede finden Sie hier ….

Haushaltsrede 2010 am 18.02.10

 Die fetten Jahre sind vorbei.

So lautete vor einigen Jahren der Titel eines deutschen Kinofilmes und dieser Titel könnte heute auch als Überschrift das Deckblatt des Kreishaushaltes zieren.

 Tuttlingen ist ein wirtschaftsstarker Landkreis, wir haben dies oft genug an dieser Stelle betont und genauso oft von dieser Stärke profitiert. Jetzt lernen wir die andere Seite der Medaille kennen. Bei unseren Strukturen sind wir von der Wirtschaftskrise extremer betroffen als andere. Das trifft zunächst in erster Linie viele Betriebe im Kreis und die dort arbeitenden Menschen, die sich Sorgen um ihren Arbeitsplatz machen oder ihn gar schon verloren haben. Die Krise schlägt sich aber auch nieder in den Zahlen der kommunalen Haushalte. Die meisten Gemeinden im Kreis sind nicht in der Lage, ihre laufenden Verpflichtungen aus eigener Kraft zu erwirtschaften sondern leben – soweit vorhanden – von ihrer Substanz. Der Landkreis steht immerhin noch –  die Betonung liegt auf noch – etwas besser da.

 Dennoch beschließen wir heute einen Haushalt, der nur wenige guten Botschaften enthält sondern eher durch Einschnitte, Sparmaßnahmen oder dem Schieben von eigentlich geplanten sinnvollen Maßnahmen gekennzeichnet ist.

 Wir möchten vor der näheren Betrachtung des Zahlenwerks Ihnen H. Landrat und Ihrer Mannschaft ein Lob zollen für die Art und Weise, wie die Vorberatungen gelaufen sind. Die Ausschusssitzungen waren nicht nur wie gewohnt gut vorbereitet, das kann man ja auch erwarten. Nein, wir danken Ihnen dafür, dass Sie den Blick schon über den Tellerrand des Jahres 2010 hinaus auf die kommenden Jahre geworfen und auch größere strukturellere Maßnahmen zur Diskussion gestellt haben. Einige davon werden im Laufe des Jahres weiter beraten werden müssen, nicht alle werden vermutlich in vollem Umfang umgesetzt werden. Es war aber das richtige Signal in diesen schweren Zeiten, auch strittigen Themen anzugehen. Und immerhin haben wir es alle zusammen geschafft, in den Vorberatungen aus einem ohnehin schon relativ ausgemosteten Haushaltsentwurf Verbesserungen von ~ 787.000 € zu erzielen. Eine Zahl, um die die ursprünglich vorgesehene Kreditaufnahme um immerhin ~ 15 % gesenkt werden kann. Das zeigt nicht nur, dass jeder hier im Saal den Ernst der Lage erkannt hat sondern das ist ein Erfolg, den man trotz aller nach wie vor bleibenden Schwierigkeiten zu Recht erwähnen darf.

 Eine positive Seite können wir dem Haushalt doch noch abgewinnen, das sind die geplanten Investitionen von ~ 9 Mio €. Wir demonstrieren damit, dass wir nicht den Kopf in den Sand stecken oder in Schockstarre verfallen sondern die Chancen beim Schopf ergreifen, die sich bieten. Sicher kann man zunächst die Frage stellen, ob in solch schwierigen und unsicheren Zeiten Baumaßnahmen in dieser Größenordnung sein müssen, die größtenteils auch über Kredite finanziert werden und damit die Verschuldung weiter erhöhen. Auf den ersten Blick ist diese Skepsis berechtigt. Man kann darauf aber auch die richtigen Antworten geben:

 Einiges wie die Erweiterung der Sprachheilschule war bereits auf den Weg gebracht. Wir profitieren dabei auch vom Konjunkturprogramm, was unseren Eigenanteil doch deutlich schmälert. Vor allem wäre es aber grob fahrlässig gewesen, die sich abzeichnende Förderung des Bettenbaus beim Klinikum nicht zu nutzen und deshalb schneller als zunächst gedacht mit dieser Maßnahme zu beginnen. Uns allen ist klar, dass die wirtschaftliche Lage unserer beiden Häuser nicht nur angespannt sondern unbefriedigend ist. Einige Maßnahmen zur Reduzierung des Abmangels haben wir bereits in den Vorberatungen beschlossen und auf den Weg gebracht. Im Laufe des Jahres werden wir über weitere Vorschläge reden müssen. Wir müssen dabei aber darauf achten, dass die medizinische Leistungsfähigkeit aber auch die Attraktivität unserer Kliniken nicht darunter leiden. Wenn wir gerade im Wettbewerb mit anderen Häusern attraktiv bleiben wollen muss das Bettenhaus kommen, darüber sind wir uns alle einig und deshalb stehen die Freien Wähler auch voll hinter dieser Investition, auch wenn sie uns in den nächsten Jahren stark belasten und unseren Spielraum einschränken wird.

 Ich möchte die Situation nicht schönreden: der Anstieg der Verschuldung ist nicht erfreulich. Ich warne aber vor den Zahlenspielchen mit den statistischen Vergleichswerten anderer Kreise. Zum einen stehen dem Schuldenstand auch ein hoher Grad der Aufgabenerfüllung  und erhebliche geschaffene Vermögenswerte gegenüber. Wer nichts tut, steht auf dem Papier vielleicht gut da, er hat aber auch nichts. Zum anderen haben einwohnerstärkere Kreise schon mathematisch bedingt Vorteile.

 Der Stand der Verschuldung ist eine Hypothek für die kommenden Jahre, das ist unbestritten. Wir werden in den kommenden Jahren dem Abbau der Schulden Vorrang vor neuen Großprojekten geben müssen. Und auch die Gemeinden werden über die Kreisumlage ihren Teil dazu leisten müssen. Was uns zuversichtlich stimmt ist das wirtschaftliche Potential, das nach wie vor im Landkreis schlummert und das in besseren Zeiten auch wieder erwachen wird.

 Das eigentliche strukturelle Kernproblem unseres Haushalts liegt in der Höhe der Soziallasten, die ja alleine schon knapp die Hälfte unserer laufenden Ausgaben ausmachen. Wobei uns eine Klarstellung wichtig ist: in dem Gesamtbetrag von ca. 49 Mio € fließt nur ein kleiner Teil in Hartz IV oder die klassische Sozialhilfe, also die Bereiche, über die derzeit mehr in böswilliger Polemik als von Sachkunde gekennzeichnet hergezogen wird. Der Großteil wird für die Behindertenhilfe oder für die Pflege alter und bedürftiger Menschen aufgewendet, also keine Personengruppen, denen man eine besondere Abzocke unterstellen kann. Das sind Aufgaben, deren Erfüllung einer sozial eingestellten Gesellschaft gut zu Gesicht stehen und die ihre Berechtigung haben. Allerdings muss man die Frage stellen, ob die bisherigen Finanzierungssystem alleine auf den Schultern der Kommunen auf lange Sicht noch tragfähig sein werden. Auch in diesem Jahr bleibt nämlich eine gewisse Hilf- und Ratlosigkeit bestehen. Die Ansprüche sind gesetzlich normiert, die Spielräume sind gering, nur ob die Kommunen dies auf Dauer alleine tragen können muss bezweifelt werden.

 Trotzdem haben wir es für 2010 geschafft, nicht nur den laufenden Betrieb auszugleichen sondern auch die Tilgungsverpflichtungen zu erwirtschaften. Das ist mehr als die meisten Gemeinden im Kreis von sich behaupten können. Die eigentliche Zeitbombe tickt aber schon für das Jahr 2011. Dann wird sich die Frage noch massiver stellen, wie bei weg brechenden Einnahmen die Verpflichtungen erfüllt werden sollen.

  Sparen tut weh. Einschnitte schmerzen, wenn sie dies nicht tun, dann sind es auch keine. Wir haben deshalb Verständnis für die Klagen der Betroffenen über die Kürzung oder gar Streichung von bisher gewährten Leistungen. Es geht aber kein Weg daran vorbei. Wenn wir ehrlich sind müssen wir auch eingestehen, dass sich in den vergangenen guten fetten Jahren in vielen Bereichen auch etwas Speck auf den Rippen angesammelt hat, mit dem man gut leben konnte, auf den man im Sinne einer Schlankheitskur aber auch verzichten kann ohne gleich seine Gesundheit ernsthaft zu gefährden.

 Ich möchte die im Einzelnen getroffenen Einsparungen nicht aufzählen, sie sind in der Vorlage aufgeführt. Wichtig war uns, dass alle Bereiche ihren Sparbeitrag bringen müssen. Dies ist gelungen. Insofern tragen wir die Ergebnisse voll mit.

 Dennoch ist ein Haushalt nicht nur ein reines Zahlenwerk sondern auch Ausdruck politischer Schwerpunkte und Prioritäten. Bei allen Sparbemühungen, die wir mitgetragen haben, sind uns doch zwei Anliegen wichtig, die uns am Herzen liegen. Das eine ist die Fortsetzung der Arbeit des Zentrums für Teilleistungsstörungen, auch wenn dies mit einer kleinen Personalaufstockung verbunden ist. Das andere ist der Start des Projektes der Bildungsregion in diesem Jahr, den wir eigentlich schon letztes Jahr mit großer Mehrheit beschlossen haben und den wir jetzt nicht weiter aufschieben sollten. Für beide Punkte haben wir Anträge gestellt, die ich gerne nach den Haushaltsreden noch begründen möchte.

 In den beiden letzten Jahren hat die Kreisumlage keine besondere Rolle gespielt. In diesem Jahr ist es anders. Heute drückt sich darin wieder die Frage aus, welchen Finanzierungsanteil die Kreisgemeinden an den Aufgaben des Kreises schultern sollen und dies in Zeiten, in denen die meisten Gemeinden nicht mit dem Rücken an der Wand sondern eher am Abgrund stehen.

 Sie, H. Landrat Wolf haben bei der Einbringung des Haushaltes auf das in den letzten Jahren gepflegte solidarische Verhalten zwischen Kreis und den Kommunen hingewiesen. Das ist richtig. Die Gemeinden haben in den letzen Jahren von der vorgenommenen Senkung des Hebesatzes profitiert. Andererseits gab es auch Jahre, in denen mit höheren Hebesätzen überplanmäßige Überschüsse erwirtschaftet wurden, die dann für den Abbau der Verschuldung des Kreises verwendet wurden. Es ist müßig, dies gegenseitig aufzurechnen.

 Und Sie haben auch in einem zweiten Punkt. recht. Es wäre wünschenswert, wenn über die Kreisumlage auch noch ein Investitionsanteil erwirtschaftet werden könnte. Wir könnten uns sogar vorstellen – das wird Sie und andere jetzt überraschen –, Ihrem Wunsch zu folgen, wenn wir normale Zeiten hätten und es lediglich darum ginge, dem Kreis in einer schwierigen Lage zu helfen. Das wäre die Fortsetzung der bewährten Praxis der letzten Jahre.

 Aber um keine falschen Hoffnungen aufkommen zu lassen: die Zeiten sind nicht normal. Dem Kreis geht es nicht gut, den meisten Gemeinden aber noch viel schlechter. Wir sitzen wirklich zusammen in einem Boot. Es bringt nichts, wenn der eine etwas mehr und der andere etwas weniger Ballast mit sich trägt, das Boot wird dadurch nicht schneller. Im Gegenteil: nach unserer Ansicht fährt es am besten, wenn die Gewichte gleichmäßig verteilt sind.

 Wir haben bereits vor den Beratungen deutlich gemacht, dass der Kreis seinen Betrieb ausgleichen und auch seine Tilgungen leisten können muss und dass die Kreisgemeinden dies auch gewährleisten müssen, völlig unabhängig davon, ob dies einer Anhebung des Hebesatzes von 1,0, 0,8 oder gar 1,2 entsprochen hätten. In einer Situation, in der vermutlich 2/3 der Gemeinden im Landkreis nicht einmal das schaffen, darüber hinaus noch einen zusätzlichen Beitrag zu erheben, der das Loch in den Gemeinden noch größer werden ließe, halten wir aber nicht für richtig.  Nach dem Ergebnis der Vorberatungen würde der Ausgleich zzgl. Tilgung einer Anhebung von 0,6 entsprechen. Dem werden wir zustimmen, einer größeren Erhöhung aber nicht. Gleichzeitig möchte ich aber bereits heute anmerken, dass wir uns an diesem Maßstab auch 2011 messen lassen und uns der dazu notwendigen Erhöhung nicht verschließen werden.

 Der Bitte der CDU-Fraktion auf Einrichtung einer kleinen Arbeitsgruppe schließen wir uns an. Wir halten dies ebenfalls für sinnvoll, um möglichst früh die Weichen für das schwierige Jahr 2011 zu stellen.

 Zum Schluss bedanken wir uns bei Herrn Kreiskämmerer Bernhard und Herrn Klinikdezernent Fricker mit ihren Mitarbeiten für die viele Arbeit im Vorfeld und die gut vorbereiteten Vorberatungen in den Ausschüssen.

 Die Fraktion der Freien Wähler stimmt dem Kreishaushalt 2010 zu, bittet aber darum, im Anschluss an die Haushaltsreden zunächst unsere Anträge zur Diskussion zu stellen.